50 Stunden im Operationssaal: Eine Toggenburger Ärztin spendete in Mali Arbeitszeit und Können

domenica 2 giugno 2024

Originalbeitrag aus dem Toggenburger Tagblatt von Yasmin Stamm

«Ein solcher Einsatz war schon lange auf meiner Wunschliste», sagt Sandra Schönenberger, Fachärztin für Anästhesie. Eine Woche lang arbeitete die 61-Jährige aus Lichtensteig in einem Operationssaal in Bamako in Mali, Afrika.

Es sei eine sehr spontane Aktion gewesen. Nur drei Wochen vor dem Reiseantritt wurde sie von einem langjährigen Freund angefragt, ob sie ihn bei einem Einsatz der Organisation Interplast Switzerland begleiten möchte. «Da habe ich keinen Moment gezögert und sagte direkt zu.»

50 Stunden in vier Tagen

Schönenberger musste innert kürzester Zeit vieles organisieren. Dazu zählten das Beschaffen eines Visums sowie das Einholen aller nötigen Impfungen. Doch nach zwei Wochen war alles bereit und Schönenberger konnte zusammen mit fünf weiteren Personen – einem plastischen Chirurgen, einer Anästhesiepflegefachperson, zwei technischen Operationsassistenten und einer Assistenzärztin – den Flug nach Mali bewältigen.

«Schon bei der Anreise gab es eine erste Hürde, als unsere Sitzplätze nicht richtig gebucht waren», so Schönenberger. Als sie es dann doch alle nach Mali geschafft haben, wurden sie darüber informiert, dass ihre Koffer erst ein Tag später ankommen werden. In dem Gepäck waren sämtliche Instrumente und Medikamente für die Operationen.

Sandra Schönenberger (links) bereitet zusammen mit Ihrem Kollegen und Anästhesiepflegefachmann die Operation vor. Bild: zvg

«Wie sich herausstellte, war das aber kein grosses Problem, denn am ersten Tag wurden die Patienten triagiert: Wer braucht die Operation am ehesten und wer ist gesund genug, dass er operiert werden kann?» Die folgenden Tage waren dafür umso intensiver. In vier Tagen operierten sie 14 Personen, mehrheitlich Kinder zwischen einem und zehn Jahren.

«Insgesamt wurde 30 Stunden operiert und 50 Stunden lang anästhesiert», sagt sie. Einige Operationen dauerten bis zu fünf Stunden, denn sie waren aufwendig. «Wir arbeiteten von morgens sieben Uhr bis tief in die Nacht.»

Das sechsköpfige Team operierte für vier Tage in Mali. Sandra Schönenberger ganz rechts.

Eine ausserordentliche Leistung

Bei den Operationen handelte es sich meist um plastische Chirurgie und Wiederherstellungschirurgie. «In Mali gibt es die Noma-Erkrankung, welche vor allem Kinder stark entstellt.» Bei diesem bakteriellen Infekt werden Betroffenen im Mundbereich die Weichteile und Knochen so stark zerfressen, dass sie Defekte im Gesicht bekommen.

«Wir operierten zum Beispiel ein zehnjähriges Mädchen, bei dem die Krankheit schon so fortgeschritten war, dass ihr linkes Auge nicht mehr richtig in der Augenhöhle platziert war und sie erblindete», erzählt Schönenberger. Es sei eine aufwendige Operation gewesen, denn der Gaumen sei zerstört gewesen und die linke Hälfte der Nase fehlte. Doch der Chirurg, der auch der Präsident von Interplast Switzerland ist, habe das Gesicht des Mädchens wieder herstellen können. «Es war eine ausserordentliche Leistung, dem Mädchen wieder ein Gesicht zu geben.»

Interplast basiert auf Freiwilligenbasis. «Alle, die an diesen Einsätzen teilnehmen, machen das in ihrer Freizeit.» Dem Team würden lediglich der Flug und die Unterkunft bezahlt. «Doch wenn man die Dankbarkeit in den Augen von Betroffenen und Angehörigen sieht, dann sind jegliche Strapazen entschädigt», so Schönenberger.

«Während bei uns in der Schweiz viele Eingriffe und Operationen selbstverständlich sind, wartet man in solchen Ländern oft jahrelang, bis sich ein Spezialist um die Operation kümmern kann.» Das habe Schönenberger fast etwas schockiert. Umso mehr freue sie sich bereits auf weitere Einsätze, denn es sei eine sehr sinnvolle und befriedigende Arbeit.

«Ich wurde schon angefragt, ob ich auch bei anderen Einsätzen dabei sein möchte.» Das würde bedeuten, dass sie etwas mehr Vorbereitungszeit bekommt. «Eventuell wird meine nächste Reise schon im Oktober stattfinden.»

Auch wenn Schönenberger erst seit wenigen Tagen von ihrer Reise zurück ist, haben ihre Erzählungen Eindruck hinterlassen. Der Rotary Club Toggenburg, bei welchem sie Mitglied ist, hat anlässlich seines 75-Jahr-Jubiläums beschlossen, Spenden für Interplast Switzerland zu sammeln. Der Club unterstützt aber auch regionale Organisationen. So profitieren unter anderem die B-Treffs in Bütschwil, Wattwil und Ebnat-Kappel von der Spendenaktion.