Nach 20 Jahren wechselte im Gasthof Wohlfahrt der Pächter. Beim Abschied murmelte der scheidende Wirt gegenüber Präsident Bräker: „20 Jahre Kochen für Rotary macht mürbe. Für achtzehnfrankenfünfzig pro Menü gibt es halt keine haute cuisine.“ Er spielte damit auf die mächtige Sparbrötchenfraktion im Club Redliwil an.
Sein Nachfolger hiess Angelo, ein charmanter Italiener. Rot. Franz Schnyder witterte als Wortführer der Sparbrötchenfraktion die Chance. „Wollen wir nicht den neuen Wirt gleich in unseren Club aufnehmen?“, schlug er an einer Vorstandssitzung vor. Und fügte bei: „Damit kriegen wir sicher einen besseren Service und vielleicht gewährt uns der neue Chef auch einen Preisnachlass beim Essen.“
Vor allem Letzteres überzeugte die Mehrheit im RC Redliwil und bald darauf war Angelo Rotarier. Franz Schnyder meinte hoffnungsvoll: „Jetzt bestellen wir nur noch Pizza mit allem, so eine reicht locker für vier von uns.“
Angelo führte sich schwungvoll ein. Er scharwenzelte bei jedem Meeting durch die Reihen, grüßte den „Dottore“ hier, den „Professore“ dort. Dazu geizte er nicht mit Titeln wie „Avvocato“ und „Ingegnere“. Bernhard Baumann wurde zum „Monsignore“ und schritt fortan wie ein Kurienkardinal durch die Heidistuben.
Es gab keine Pizza mit allem, dafür begeisterte Angelo die Freunde für seine frischen Langusten und Doraden, sein fantastisches Bistecca alla Fiorentina, seine Pasta mit Trüffeln, seine primi piatti und secondo piatti, für ein Süppchen hier, ein Salätchen dort, immer umrahmt von unvergleichlichen Weinen.
Bald waren die Mitglieder überwältigt und badeten in einem mediterranen Lebensgefühl. Unmerklich verlängerte sich das Meeting auf zwei, dann auf drei Stunden.
Eines Tages schaffte man gar den nahtlosen Übergang vom Mittagessen hin zu einem ordentlichen Abendmenü. Franz Schnyder spendierte eine Lokalrunde Grappa und gemeinsam sang der ganze Club „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.“
Einzig Kassier Armin Geldmacher gab zu bedenken: „Der Durchschnittspreis für ein Menü ist jetzt auf CHF 87.66 gestiegen…“
Doch Präsident Georges Bräker war glücklich: „Egal, Hauptsache, unser Freund Franz fängt jetzt an zu leben!“
Verfasser: Alexander Hoffmann / Erich Gerber