Mort Alive – die Gletscher-Operation

dimanche 22 septembre 2019

Rotarier Dr. Felix Keller hat Anfang Juni bei der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse) sein Pilotprojekt zur Rettung des Morteratschgletschers eingereicht. Mit seinem Vorhaben könnte der Bündner Glaziologe weltweit für Aufsehen sorgen.

Wenn man Felix Keller trifft – das könnte gut bei einem der Oberengadiner Gletscher sein – dann ist man erstaunt über die positive Energie und Zuversicht, die er verbreitet. Fast einen Monat pro Jahr verbringt Keller «im ewigen Eis». Eigentlich sollte er als Glaziologe Trübsal blasen und sich bereits nach einem neuen Forschungsgebiet umschauen, da der Rückgang der Gletscher eine beschlossene Sache ist. Keller aber hat das fortdauernde Reden über die Probleme satt.

«Neben dem sorgfältigen Problemverständnis benötigen wir nun unbedingt auch Lösungen», fordert Felix Keller und lacht dabei. Nicht ironisch oder zynisch, sondern eben zuversichtlich. Die Idee zur Gletscherrettung sei ihm beim Fischen am Berninabach gekommen. Und diese Idee ist im Grunde schnell erklärt. Und so einfach erklärt es der 57-jährige Glaziologe auch dem Laien bei dem Internationalen Rotary Kongress in Hamburg mit 25.000 Besuchern aus 170 Ländern.

«Schnee bewahrt das darunter liegende Eis gut vor der Schmelze, denn er reflektiert die einfallende Sonnenstrahlung. Solange Schnee auf dem Eis liegt, ist dieses vollständig vor dem Schmelzen geschützt.» Darin besteht die Kunst in der Wissenschaft: Das Komplizierte einfach zu erklären. Das gelingt Keller. Und zwar mit einer Begeisterung, die ansteckend ist.

Gletscher-Wachstum scheint möglich

Im 2016 hat Keller eine Machtbarkeitsstudie für seine Idee «Mort Alive» begonnen. Professor Johann Oerlemans, ein weltweit anerkannter niederländischer Wissenschaftler von der Universität Utrecht, unterstützte Keller bei den Studien. Ergänzend wirkten Fachleute vom Zentrum für berufliche Weiterbildung St. Gallen und der Fachhochschule Nordwestschweiz, dem Institut für Thermo- und Fluid-Engineering mit.

Die Forschungsfrage lautete «Kann der Morteratschgletscher so geschützt werden, dass er wieder wächst und damit den kommenden Generationen als wertvoller Süsswasserspeicher dient?» Damit wurde einer der meistgestellten Fragen in den letzten Monaten und Jahren anhand einer fundierten wissenschaftlichen Studie auf den Grund gegangen. Noch vor den «Friday for Future» Demonstrationen und noch vor Greta Thunbergs Rede bei den Vereinten Nationen.

Die Forschungsfrage wurde beantwortet: Die künstliche Beschneiung im Frühling ist mit den derzeitigen klimatischen Bedingungen möglich. Das wiederum heisst, dass «mit einem Quadratkilometer beschneiter Fläche der Morteratschgletscher ab dem Jahr 2025 wieder wachsen würde», verrät Keller. Und mit dieser Aussage könnte Keller für weltweites Aufsehen sorgen. Spätestens, wenn aus dem Konjunktiv «würde wachsen» eine Tatsache wird und der Gletscher nachweislich nicht mehr zurückgeht.

Hoch hinaus: Der Kern des Projekts

Der Kern des Projekts liegt in der Luft: Ein bodenunabhängiges Beschneiungssystem ohne die Verwendung von elektrischer Energie. Die Firmen Bartholet und Bächler Top Track, Hersteller von Seilbahnsystemen und Schneilanzen und zwei auf dem Weltmarkt führende Schweizer Unternehmen auf diesem Gebiet, wollen nach der erfolgreichen Machbarkeitsstudie von Keller nun zusammen ein seilbasiertes Beschneiungssystem auf den Markt bringen. Mit diesem wird es weltweit erstmals möglich sein, grosse Flächen auf unbefestigtem Boden zu beschneien.

Investition lohnt sich

Das Gesamtbudget für das Pilotprojekt liegt bei ca. 2,5 Millionen Franken. Die Kosten für eine spätere derartige Anlage am Morteratsch «würde wohl wegen der 30-jährigen Projektdauer im zwei- bis dreistelligen Millionen-Bereich liegen», erklärt Keller. Verglichen damit, was eine alternative Wasserversorgung kosten würde, wenn diese überhaupt möglich wäre, erscheint die Investition lohnenswert.

Unterstützung von Rotary Schweiz-Liechtenstein

Governor Magdalena Frommelt spricht sich für die Unterstützung des Projekts "Mort Alive" von Felix Keller aus – vorest ideell und dann vielleicht auch bald finanziell. Die Diskussion müsse heute geführt werden, denn morgen könnte dies bereits zu spät sein, sagt sie. 

Text und Bilder: Mayk Wendt 

 

Felix Keller ist an der Academia Engiadina in Samedan sowie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur beschäftigt.