«Wir müssen uns mehr mit der Zukunft beschäftigen»

jeudi 2 mai 2024

red

Rotarier Karl-Heinz Restle hat vor zwei Jahren die Chair-Funktion beim Jugendaustausch Rotary Schweiz-Liechtenstein übernommen. Seither treibt er den Wandel aktiv voran – und das in einer Zeit, die von Krisen und Unsicherheiten geprägt ist. Im Interview berichtet er, was sich beim Jugendaustausch aktuell tut.

Das Rotary Jugendaustausch-Programm hatte in den letzten Jahren einige Herausforderungen zu bewältigen, beispielsweise die Covid-19-Pandemie und sinkende Teilnehmerzahlen. Ist man mittlerweile zurück zur Normalität?

Zur Normalität, wie wir sie vor der Covid-19-Pandemie kannten, wird der Jugendaustausch nicht mehr zurückkehren können – und das ist gut so. Unsere Organisation braucht einige Veränderungen. Krisen wie die Covid-19-Pandemie, der Klimawandel oder internationale Konflikte lösen eine allgemeine Unsicherheit aus, die auch wir zu spüren bekommen. Hinzu kommt ein gesellschaftlicher Wandel, der dazu führt, dass die Generation Z ganz andere Möglichkeiten hat als die Generationen zuvor. Die Ansprüche haben sich verändert. So auch vonseiten der Eltern.

Wie sieht die neue Normalität beim Jugendaustausch-Programm aus?

Auf strategischer Ebene haben wir traditionell immer viel über vergangene Ereignisse gesprochen, anstatt in die Zukunft zu schauen. Aufgrund dessen stellten wir irgendwann überrascht fest, dass die Teilnehmerzahlen zurückgehen. Wir müssen uns mehr mit der Zukunft beschäftigen, um solchen Trends frühzeitig entgegenwirken zu können.

Seit ich die Chair-Funktion übernommen habe, lege ich einen Schwerpunkt auf unsere Marketing-Aktivitäten. Unsere Zielgruppe informiert sich heute hauptsächlich über Kanäle wie TikTok oder Instagram. Da müssen wir sichtbarer werden. Deshalb haben wir beispielsweise eine Sondergruppe Marketing gegründet. Wie ein Geschenk des Himmels kam uns eine Sammelaktion unter den Clubs zu Hilfe, die uns die Mittel für eine professionelle Umsetzung ermöglichten. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank dem initiierenden RC Wil. Mit diesem Budget konnten wir unter anderem externe Kräfte engagieren – so zum Beispiel Ursula Schubiger, die beim öffentlichen Fernsehen im Bereich Social Media eine leitende Funktion hat, oder Anna Schindelholz, die sich bei uns intern um Social Media kümmert.

Auch strukturell sind wir im Umschwung. Wir sind beispielsweise im Vorstand schlanker aufgestellt und planen Meetings und Retraiten effizienter. Der Vorstand war früher ein eher statisches und verwaltendes Instrument. Um dem Rückgang der Anmeldungen entgegen zu wirken, mussten wir auch unsere Organisationsstruktur und Arbeitsweise überdenken. Heute besteht der Vorstand aus mir, einem Vertreter, DG Alex Schär, Delegierter des Governorrats, und den drei Kommissionspräsidenten. Auf operativer Ebene wirkt neu der sogenannte erweiterte Vorstand, der sich regelmässig mit dem Büro in Lenzburg trifft. Einmal pro Jahr findet eine Retraite mit beiden Vorständen und Mitgliedern von Rotaract und Rotex statt.

Diese Anpassungen wirken sich bestimmt auf eure Dreijahresplanung aus. Wie sieht die Aktuelle aus?

Ja, das stimmt. Wir geben ihr auch viel mehr Gewicht. Die Dreijahresplanung (Strategie) wird neu an der jährlichen Retraite gemeinsam erarbeitet, anstelle vom jeweiligen Chair im Alleingang. Sie wird zudem regelmässig auf den Fortschritt überprüft, was früher nicht unbedingt der Fall war.

Unsere Marketing-Aktivitäten sind natürlich ein wichtiges Thema der neuen Dreijahresplanung. Ein weiteres Thema ist die Romandie. Mir ist es ein persönliches Anliegen, die Westschweiz besser einzubinden, denn da gibt es noch viel Potenzial. Auch der Austausch zwischen den französisch- und deutschsprachigen Regionen wäre sicherlich gewinnbringend. Im Distrikt 2000 wurden kürzlich Jugendaustausch-Clusterregionen gebildet, die sich untereinander zum Beispiel darüber austauschen, wie man in seiner Region erfolgreich Gasteltern findet, was funktioniert und was nicht.

Das Thema Gasteltern ist ein weiteres Schlüsselthema. Wir wollen vermehrt die Vorteile in den Vordergrund stellen oder das sich hartnäckig haltende Gerücht, dass nur Kinder von Rotariern am Jugendaustausch-Programm teilnehmen können, aus der Welt schaffen.

Zusammenfassend ausgedrückt, müssen wir unsere Sichtbarkeit erhöhen und proaktiver sein. Meine Rolle sehe ich vor allem darin, den Übergang vom Alten zum Neuen voranzutreiben. Deswegen habe ich ursprünglich die Chair-Funktion übernommen.

Sie haben in Ihrer ersten Antwort eine allgemeine Unsicherheit angesprochen. Wie entgegnet der Jugendaustausch dieser Unsicherheit?

Einerseits sind wir in den Austauschregionen so gut vernetzt, wie kein anderes Austauschprogramm. Das bedeutet, im Notfall ist ein Rotary-Mitglied nie weit entfernt.

Zudem haben wir in den letzten Jahren ein hochprofessionelles Risikomanagement aufgebaut. Wir führen zum Beispiel regelmässig Probeübungen für Notfallsituationen durch. Diese Übungen führen zu sogenannten Eventualplanungen, auf die wir in einer Notsituation zurückgreifen können. Die Feuertaufe haben wir zu Beginn der Covid-19-Pandemie bereits bestanden, als wir über 60 Austauschschülerinnen und -schüler in die Schweiz zurückbringen mussten. Wir sind zudem hochprofessionell aufgestellt: Unser Stabsleiter Sicherheit ist der Top-Risikomann bei der SBB; für die Bereiche Care, Kommunikation und Troubleshooting sind jeweils zwei Personen zuständig. Wir überprüfen Abläufe kontinuierlich und bilden das Team stetig weiter.

Karl-Heinz Restle, Chair Jugendaustausch Rotary Schweiz-Liechtenstein