RC Redliwil - Der warme Händedruck

Freitag, 6. Januar 2023

Rot. Alexander Hoffmann

Der RC Redliwil freute sich stets über externe Referenten. Dabei gehörte es zum guten Ton, die Gäste mit einem ansprechenden Gastgeschenk zu belohnen. Lange Jahre war das eine Flasche des köstlichen Ricola-Kräuterschnapses, doch nun war ein Wechsel fällig. Mit welchem Präsent wollte man in guter Erinnerung bleiben? Dazu entbrannte eine heftige Debatte im Vorstand. Kassier Armin Geldmacher hatte die Clubfinanzen im Auge, als er meinte: «Wir sollten auch eine Economy-Variante des Gastgeschenks einplanen.»

«Und die wäre?», fragte Präsident Bräker.

«Ein warmer Händedruck des Präsidenten. Verzicht ist angesagt in diesen harten Zeiten.»

«Nun ja», sagte Bräker zögernd und bat um weitere Vorschläge

Rotarier Grossenbacher war mit einem Musterkoffer erschienen, dem er farbige Topflappen und Tischsets mit dem Rotary-Rad entnahm. «Hat meine Frau gehäkelt, alles Handarbeit.»

Bräker fand die Topflappen etwas spiessig, doch er wollte es sich mit Grossenbacher, dem potentesten Spender des Clubs, nicht verderben. «Sehr schön, sehr individuell!», lobte er. Besser gefiel ihm, was Rotarier Danuser vorstellte – ein Vogelhäuschen aus edlem Holz aus dem Engadin, ebenfalls handgemacht. Und passgenau modelliert für die Aufnahme einer Flasche Wein. Er lobte erneut: «Sehr authentisch und aus einem nachwachsenden Rohstoff. Dazu eine Hilfe für unsere bedrohte Vogelwelt.»

Schliesslich kam man überein, die Gastgeschenke je nach Qualität des Vortrags zu verteilen. Der Clubvorstand einigte sich auf folgendes Muster:

Exzellenter Vortrag: Vogelhäuschen inklusive eines guten Rotweins.

Guter Vortrag: Vogelhäuschen inklusive Vogelfutter.

So lala – Vortrag: ein Satz Topflappen.

Vortrag zum Gähnen: Warmer Händedruck des Präsidenten.

Was keiner wusste: Danusers Vogelhäuschen fanden nach und nach in der gesamten rotarischen Welt reissenden Absatz und Danuser freute sich über die Aufbesserung seiner Rente.

Es nahte der Tag, dem der RC Redliwil entgegenfieberte. Starredner John Battermann hatte sich angesagt. Das Vogelhäuschen mit Rotwein war programmiert. Battermann war Dauergast in allen Talk Shows und den Boulevardzeitungen, er war der Experte für alles: vom Ukrainekrieg bis hin zur richtigen Zubereitung eines Raclette, von der endgültigen Strategie gegen Covid bis hin zur finalen Aufstellung der Schweizer WM-Elf.

Kurz vor seinem Auftritt rief John Battermann bei Bräker an. «Lieber Herr Präsident, ich komme ja sehr gerne zu Ihnen. Aber eine Bitte hätte ich.»

«Wie kann ich helfen? » «Ich war schon bei 145 Rotary Clubs zu Gast. Mittlerweile stehen 16 Vogelhäuschen in meinem Garten, die Vögel sind schon ganz erschrocken, weil sie eine Falle wittern. Und meine Gattin spricht nicht mehr mit mir, seitdem ich ein Dutzend weitere Vogelhäuschen im Bad und im Schlafzimmer unterbrachte.» Battermann seufzte: «Ich bitte sehr herzlich – keine Vogelhäuschen mehr. Mir reicht nach dem Vortrag ein warmer Händedruck.»

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