Modelle dienen dazu, die Wirklichkeit vereinfacht abzubilden. Modelle sind, nach der Definition des deutschen Philosophen Herbert Stachowiak (1921-2004), immer Modelle von etwas: Sie repräsentieren ein natürliches oder künstliches Original (welches wiederum auch ein Modell sein kann). Ein Modell erfasst nicht alle Attribute, die das Original ausmachen, sondern nur jene, die den Modellschaffenden als relevant erscheinen.
Die beiden Künstlerinnen Lena Amuat und Zoë Meyer spüren seit über zehn Jahren Modelle und Lehrobjekte an europäischen Universitäten und in wissenschaftlichen Archiven auf und inszenieren diese fotografisch. Sie sammeln nach Gefühl und fühlen sich gleichzeitig der Recherche verpflichtet. Sie machen Objekte zugänglich, die teilweise vergessen wurden oder in gut belüfteten Depoträumen kaum noch jemand zu Gesicht bekommt.
Die Fotografien wirken wie Malereien: Farben und Flächen treffen aufeinander, die Hintergründe sind in satten Farben gewählt – kompositorische Entscheide, die in sinnlichen Sachbildern resultieren. Woher die Objekte genau stammen, für welche wissenschaftlichen Erkenntnisse sie stehen oder wie alt sie sind, erfahren wir als Betrachtende nicht. Diese Informationsebene mag man vermissen, gleichzeitig stellt diese Lücke sicher, dass wir uns auf sie als blosse Seherlebnisse einlassen. Die Künstlerinnen machen sich die ausgesuchten Objekte zu eigen und überführen sie in einen künstlerischen Raum, in diesem Sinne sind sie eng verbunden mit Marcel Duchamps, dem König des Readymade und doch: Die Fotografie bildet das Instrument und den gestalterischen Rahmen, das Medium wird zur Linse, durch die wir die Objekte überhaupt sehen können. Alle Bilder entstehen analog auf 25-mm-Film, die Abzüge erstellen die beiden von Hand und der Rahmen des Bildes wird immer in dieselbe Farbe getaucht, wie der Hintergrund, vor dem die Modelle meistens mit Blitzlicht abgelichtet werden. Anders als bei Duchamps spielt die fotografische Reproduktion der Objekte die Hauptrolle, das mobile Fotostudio wird zur Bühne und für uns, zeitversetzt, zu einem stillen, sinnlichen Schauspiel.
Lena Amuat und Zoë Meyer leben und arbeiten in Zürich und Berlin. Ihr Studium haben sie an der Zürcher Hochschule der Künste absolviert, seit 2008 arbeiten sie zusammen.
Rot. Nadine Wietlisbach
Direktorin und Kuratorin Fotomuseum Winterthur