Polio aus der Sicht eines Betroffenen

dinsdag 1 januari 2019

Urs Herzog (ehemaliger Governor des Distrikts 1980) hat Polio am eignen Leib erlebt. In seinem Erfahrungsbericht wird klar, was Kinderlähmung bedeutet. Heute kämpft er als Rotarier dafür, dass diese Krankheit endgültig verschwindet.  

Es begann mit Unwohlsein, Fieber, Durchfall: Symptome, die jede und jeder von uns auch heute noch kennt. Doch ich hatte keine normale Grippe – nach einem Arztbesuch wurde klar: Ich war an Polio erkrankt.

Die Krankheit bedeutete für mich zunächst Hospitalisation und Isolation. Der alltägliche Kontakt zu den Eltern und den Geschwistern, mit denen man sich zwei Tage zuvor noch vergnügt hatte, wurde unerreichbar. Plötzlich waren sie hinter Glas in einer fremden Umgebung ohne bekannte Gesichter und Stimmen. Die Bezugsperson war mit einer grossen Maske entstellt und hatte kein wirkliches Gesicht. Hände waren aus Gummi, das Essen schmeckte nicht. Der seltene Besuch der Eltern war schemenhaft und nur der Mund bewegte sich - Hören oder Verstehen war wegen der trennenden Glasscheibe unmöglich.

Keine Eiserne Lunge

Die Eiserne Lunge blieb mir glücklicherweise erspart. Nur langsam konnte ich aber mein Bein wieder bewegen. Auch die täglichen Mühen im Gehbad hinterliessen Spuren der Ohnmächtigkeit. Redoxon® (Vitamin C), in kaum vorstellbaren Mengen genossen, schien seine Wirkung zu zeigen. Nach Wochen der Vollisolation und später gelockertem Kerkeraufenthalt ging es nach Hause.

Es folgten Wochen intensiver Physiotherapie mit Gehschulung und letztlich chirurgischem Eingriff wegen Fehlstellung der befallenen Extremität. Das normale Leben eines lebhaften Jungen war und blieb Geschichte: am Rande des Fussballfeldes sitzend, unbeholfen, zu wenig agil auf den Skiern und beim Wandern ohne ausreichende Ausdauer, hatte ich ausreichend Zeit, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen.

Berufsziel: Chirurg

Mein Ziel war es Chirurg zu werden. Mein Vorbild war der Chirurg, der mich damals operiert hat. Ich sehe ihn noch vor mir, er hat mir als Mensch einen bleibend positiven Eindruck hinterlassen und das wahre Bild des Helfenden in mir geprägt. Geduld zu haben und an und für sich zu arbeiten hatte ich ja ausreichend gelernt.

Und noch etwas habe ich auf meinen Lebensweg mitbekommen: denen zu helfen, die es trotz allem noch schlechter haben als ich heute. Nach bestandenem Medizinexamen und der Tropenmedizinerausbildung in Liverpool waren die Voraussetzungen für meine berufliche Zukunft nahezu ideal. Das Gespann Chirurgie und Hilfe in Afrika hat von nun an mein Leben nachhaltig geprägt.

Wieso Rotary?

Rotarier wurde ich, weil ich es wollte und einen Freund an meiner Seite hatte, der dies möglich machte. Da mein Vater auch Rotarier war und nach den Meetings meist begeistert erzählte, was er erlebt hatte, wurde Rotary für mich gleichbedeutend mit den Begriffen "Freundschaft", "Interessante Berichte" und "Helfen".

Jetzt selbst Rotarier stellten sich viele Fragen wie: «Was ist Rotary wirklich?», «Für was steht Rotary?», «Wie viel Rotary darf es sein?» (ich stand mitten in meinem Beruf als Chirurg). Fragen, die ich im Laufe der Zeit selbst zu beantworten im Stande war.

Dass Polio DAS Thema bei Rotary war, wurde mir erst dann wirklich bewusst, als ich Assistant Governor im Distrikt 1980 wurde. Von da an hat mich der Kampf gegen diese verheerende Krankheit nicht mehr losgelassen und ich durfte auch immer wieder im Organ "Rotary - Suisse/Liechtenstein" berichten.

Heute ist mir bewusst, dass ich Glück im Unglück hatte, denn ich konnte einerseits meinen Traum der Chirurgie erfüllen und andererseits bietet mir Rotary genau das, was ich aus meinem Leben machen wollte: Verstehen, Helfen und Handeln. Dass das Post-Polio-Syndrom mich dabei begleitet, ist vorerst noch bewusste Nebensache. Denn meine Devise, immer nach vorne zu sehen und auch zu gehen, spornt mich tagtäglich an.

End Polio Now

Und die Moral der Geschichte: lasst uns gemeinsam, und zwar solange es notwenig sein wird, alle Anstrengungen unternehmen, um der Krankheit Herr werden. Unser langjähriger Slogan heisst ja: END POLIO NOW. Now bedeutet jetzt für immer und nichts anderes. Es stehen uns Mittel zur Verfügung und damit meine ich neben dem Kauf der Poliotulpen und Pralinen vor allem unser Ideenreichtum, der mithelfen soll, den Kampf attraktiv zu machen, sodass die Leute auf uns hören und in unseren Spuren im Vertrauen auf Rotary und deren Werten folgen. Das Spendenkonto finden Sie hier

Verein Rotary Distriktskasse 1980, c/o Confiducia AG, Postfach 212, 4127 Birsfelden
Vermerk: EndPolioNow, IBAN: CH68 8077 4000 0018 7151 6
Bank des Begünstigten: Raiffeisenbank Birsig Genossenschaft, Hauptstrasse 16, 4104 Oberwil, Konto 40-5034- 4

Urs Herzog 26. Juli 2019  (gekürzte Version)

Urs Herzog impft ein indisches Kind gegen Polio. Zwei winzige Tropfen können ein Leben beeinflussen.

Weitere Bilder

Mit der Eisernen Lunge kann man einen Menschen maschinell beatmen. Sie wurde auch bei Polio eingesetzt, da in manchen Fällen das Zwerchfell von der Lähmung betroffen war..