«Ich habe hier noch keine Minute bereut»

vendredi 12 mars 2021

Von Noah Gabathuler

Wie schafft es die Stiftung St. Jakob, beeinträchtigten Menschen ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten und sich gleichzeitig am Markt zu messen? Was macht ihre Tirggel besonders lecker? Ein Gespräch mit Alexander Howden, CEO der Stiftung St. Jakob.

Herr Howden, 160 Rotarierinnen und Rotarier konnten sich nach der diesjährigen Halbjahreskonferenz des Distrikts 2000 selber überzeugen: Ihre Tirggel schmecken köstlich. Sind Sie auch ein Fan dieses Traditionsgebäcks?
Alexander Howden: Ich bin eigentlich eine sehr süsse Zunge. Deshalb habe ich den Tirggel gerne, aber ich kann nicht zu viel davon essen. Um einen Tirggel richtig zu geniessen, bricht man einen Teil ab und lässt diesen im Mund zergehen. Dann entfalten sich die Details des Honigaromas, was mir sehr gut schmeckt.

Wie kam es dazu, dass Sie seit 2016 die Zürcher Spezialität bei Ihnen produzieren?
Das Tirggel-Backen ist ein sehr handwerksintensiver Prozess. Deshalb fand die Bäckerei Honegger aus Wald keine Nachfolge. Vor etwa acht Jahren kam Herr Honegger auf uns zu und fragte, ob wir die Tirggel-Produktion übernehmen wollen. Da wir sehr viel Handarbeit suchen, war dieses Angebot ideal. Es gibt auch noch andere Tirggel-Hersteller in der Stadt Zürich, die mit Maschinen produzieren. Wir wollen das nicht, denn bei der Maschinenproduktion muss man mit Hilfsmitteln arbeiten, beispielsweise mit Öl. Das verändert unserer Meinung nach den Tirggel-Geschmack.

Nach 20 Jahren als Geschäftsführer bei verschiedenen KMUs hat Alexander Howden die Leitung der Stiftung St. Jakob übernommen.

Alle Teilnehmenden der Halbjahreskonferenz 2020/2021 haben diesen Tirggel (Motiv: Zürcher-Oberländer Bachtelturm) erhalten.

Sie bezeichnen sich als wirtschaftlich ausgerichtetes Sozialunternehmen. Wie schaffen Sie es, sich am Markt zu messen und gleichzeitig ein gutes Arbeitsumfeld für beeinträchtigte Menschen zu bieten?
Bei uns gibt es Menschen mit psychischen Problemen, Suchterkrankte, Sinnesbeeinträchtigte und Leute mit einer Lernschwierigkeit. Sie wollen alle etwas beitragen für die Wirtschaft. Deshalb beschäftigen wir sie nicht nur. Sie schaffen hier etwas, und zwar für Kunden wie Siemens Schweiz, die Zürich Versicherungs-Gesellschaft oder die Migros-Gruppe. Unsere geschützten Mitarbeitenden können während der Arbeit ihre Probleme für vier bis sechs Stunden vergessen. Sie kommen nach Hause und dürfen von sich sagen: «Ich habe für eine so spannende und grosse Marke etwas produziert.» Das ist die beste Medizin.

Genau wie wir vom Rotary Distrikt 2000 wollen Sie die Marke Stiftung St. Jakob in Zukunft noch besser an die Öffentlichkeit herantragen. Was ist Ihre Strategie?
Mein Vorgänger hat sehr viel im Bereich Infrastruktur geleistet. Mein Fokus liegt jetzt darauf, unseren Angestellten genug Arbeit zu bieten. Diesen Auftrag kann ich nur erfüllen, wenn die Bekanntheit der Stiftung möglichst breit ist. So kommen wir auch im Offerten-Prozess zum Zug. Wenn die Leute sehen, wie professionell wir arbeiten und welche Referenzkunden wir haben, gewinnen wir meistens auch den Auftrag. Deshalb ist Marketing sehr wichtig – dazu gehört auch dieses Interview. Wir sind zudem auf den sozialen Medien, vor allem auf LinkedIn, sehr stark vernetzt. Wer interessiert ist, kann jederzeit vorbeikommen.

Noch eine persönliche Frage: Sie verfügen über keine soziale Ausbildung und dennoch haben Sie die Stelle als Leiter der Stiftung St. Jakob angenommen. Was hat Sie dazu bewegt?
Ich war 20 Jahre Geschäftsführer von verschiedenen KMUs. Eines Tages rief mich ein Headhunter an und fragte mich, ob ich an der Leitung der Stiftung St. Jakob Stiftung Interesse hätte. Ich dachte zuerst, dass mir die Fachkenntnis mit beeinträchtigten Menschen fehlt und verzichtete auf das Angebot. Der Headhunter rief mich nochmals an und sagte, sie suchten jemanden mit dem Herz am richtigen Fleck. Schliesslich entschied ich mich doch dafür. Bereits in den ersten Wochen zeigte sich, dass das Arbeiten mit beeinträchtigen Menschen genau gleich ist wie mit anderen Menschen. Es braucht einfach mehr Geduld, Menschlichkeit und man muss auch mal ein Auge zudrücken. Dennoch habe ich es noch keine Minute bereut, hier zu arbeiten.

Die Leute im geschützten Rahmen haben irgendwann Pech gehabt. Sie hatten zum Beispiel einen Arbeitsplatzverlust oder erlebten schwere Familienprobleme. Wir sind dann die Lösung, damit solche Menschen eine Beschäftigung finden. Diese Männer und Frauen sind intelligent, aber sie können nicht arbeiten wie Leute im normalen Arbeitsmarkt.

Wie kann man die Stiftung St. Jakob unterstützen?
Wir nehmen zwar Spenden entgegen, aber wir sind nicht davon abhängig. Uns ist geholfen, wenn ein Betrieb im Offerten-Prozess an die Stiftung St. Jakob denkt.


Alexander Howden über Volunteerings