Bernice Maima Kromah über ihre Arbeit bei der Bowier Foundation in Liberia

Sunday, May 1, 2022

von Janine Keller

Der Rotary Club Oberer Zürichsee engagiert sich seit Jahren in Westafrika im Bereich der Gesundheit von Mutter und Kind und unterstützt die Bowier Trust Foundation Switzerland. Die Liberianerin Bernice Maima Kromah arbeitet für die in Liberia registrierte NGO der Foundation. Bernice befindet sich aktuell in der Schweiz und hat sich bereit erklärt, uns ein paar Fragen zu ihrem Studium in der Schweiz und ihrer Arbeit in Liberia zu beantworten.

Bernice, weshalb bist du aktuell in der Schweiz?

Ich bilde mich gerade mit dem Diploma of Advanced Study in Health Care Management am Tropical Institute of Public Health weiter. In Liberia habe ich ein Bachelor-Studium in Biologie absolviert. Nun habe ich durch die Bowier Trust Foundation Switzerland die Möglichkeit bekommen, mich in der Schweiz weiterzubilden.

Wie kam es dazu?

Im Jahr 2019 habe ich mich in Montserrado County, meiner Heimat und dem Sitz der NGO, bei Letzteren beworben. Da habe ich auch Felix Walz, Präsident der Foundation und Mitglied im Rotary Club Oberer Zürichsee kennengelernt, denn er befand sich im Rahmen von Wasser-Kiosk-Projekten gerade in Liberia. Wir haben uns unterhalten und er hat mir schliesslich eine Stelle als Gesundheitskoordinatorin der NGO angeboten. Meine Aufgabe als Koordinatorin ist die Verbesserung von Hygiene innerhalb der Gemeinschaft von Montserrat County. Im Rahmen unserer Programme besuche ich mit unserem Team Schulen und treffe mich mit verschiedenen Personen aus der Gemeinschaft.

Während deiner ersten Weiterbildung in der Schweiz im letzten Jahr hast du innerhalb der Foundation ein eigenes Projekt gegründet, erzähl uns davon.

Um mit den Gesundheitseinrichtungen in Liberia erfolgreich zusammenarbeiten zu können, braucht es Personen, die sich mit dem Land und den Menschen auskennen. Lela Precious Dolo, meine Projektpartnerin und ich kennen die gesellschaftlichen Herausforderungen als Liberianerinnen gut. Deshalb hat uns Felix mit dem Entwurf einer Projektstrategie beauftragt. Zusätzlich sollten Lela und ich uns in der Schweiz weiterbilden, damit wir sehen, was es braucht, um die Zustände in Liberia zu verbessern, denn die Schweiz hat eine sehr tiefe Müttersterblichkeit. Deshalb haben wir letztes Jahr während knapp drei Monaten im Spital Linth in Uznach unter dem Patronat der Ostschweizer Fachhochschule OST ein Praktikum absolviert. Wir haben viel über die Gesundheit von Mutter und Kind gelernt und wie man sich um eine schwangere Frau sowie ein Neugeborenes kümmert. Mit diesem Wissen konnten wir anschliessend eine Ausbildung für Hebammen in Liberia skizzieren. Der Spitaldirektor, Herr Dr. Peter Werder, ist auch Rotarier des Clubs Zürich-Sihltal, was für die Projektplanung ein Vorteil war.

Letztes Jahr im August sind wir dann mit dem Projekt gestartet. Wir haben die Gesundheitsministerin von Liberia kontaktiert und örtliche NGOs und lokale Initiativen miteinbezogen. Diese involvieren wir, weil wir möchten, dass die Leute in Liberia von der Arbeit mit uns lernen und profitieren. Die grösste finanzielle Unterstützung bekommen wir aber von der Bowier Trust Foundation Switzerland und dem Rotary Club Oberer Zürichsee, welcher sich stark bei der Foundation engagiert. Sie und weitere Schweizer Institutionen und Private haben auch unsere Reise und den fast drei monatigen Aufenthalt in die Schweiz finanziert.

Wie sieht eure Arbeit innerhalb des Projekts konkret aus?

Seit Projektstart haben wir bereits über 50 Hebammen ausgebildet. Wir arbeiten hauptsächlich mit traditionellen Hebammen zusammen, die Hausgeburten begleiten. Bei Hausgeburten gibt es aber oft Komplikationen, die zum Tod der Mutter oder des Kindes führen können. Deshalb versucht die Regierung zurzeit, Hausgeburten zu unterbinden und belegt Frauen, die zu Hause gebären mit Geldstrafen.

Frauen vertrauen aber den traditionellen Hebammen mehr als den Gesundheitseinrichtungen. Aus diesem Grund arbeiten wir mit diesen Hebammen zusammen und zeigen ihnen, wie sie sich richtig um schwangere Frauen kümmern und welche Anzeichen darauf hinweisen, dass eine Frau ins Spital muss. Die Hebammen sollen also eine Verbindung zwischen Spital und der Gemeinschaft darstellen und die Frauen überzeugen, im Spital zu gebären.

Es gibt weitere Gründe, weshalb Frauen nicht im Spital gebären wollen. Bei einer Umfrage, die wir vor dem Projektstart durchgeführt haben, waren zwei der meistgenannten Gründe die weite Entfernung der Spitäler und fehlende Ambulanzen für den Transport. Aufgrund dieser beiden Faktoren gebären Frauen oft unterwegs, bevor sie das Spital erreichen können. Ein weiterer Grund, von dem vor allem sehr junge Mütter berichten, ist die Respektlosigkeit des Gesundheitspersonals ihnen gegenüber. Viele Teenager gebären deshalb zu Hause. Erwähnt wurde auch die schlechte Infrastruktur der Spitäler und die teuren Behandlungen. Deshalb ist eine unserer Massnahmen, bessere Geräte für die zehn Spitäler in unserem Einsatzgebiet in Margibi zu schicken.

Wie sehen eure nächsten Schritte aus?

Aktuell versuchen wir Clubs zu gründen, die in Spitälern über die Gesundheit von Mutter und Kind informiert. Sie sollen schwangeren Frauen zum Beispiel beibringen, wie sie während der Schwangerschaft gut auf sich achten können und sie ausserdem dazu bewegen, für die Geburt in ein Spital zu gehen. Weitere Clubs mit Teenagern und jungen Erwachsenen sollen in Schulen über das Thema sexuelle Gesundheit aufklären.

Du hast erwähnt, dass sich viele Frauen eine Behandlung in einem Spital nicht leisten können. Was ist denn die aktuelle soziale und ökonomische Situation in Liberia?

Viele Menschen in Liberia sind arm und haben Mühe, sich Nahrungsmittel zu leisten. Zu den verhältnismässig teuren Lebensmittelpreisen kommen aktuell aufgrund des Krieges in der Ukraine zusätzlich erhöhte Benzinpreise hinzu. Das ist sehr problematisch, denn viele Menschen sind auf Transportmittel angewiesen, um Nahrungsmittel zu besorgen.

Ausserdem hat die Foundation Schwierigkeiten, Spenden zu generieren, weil die Aufmerksamkeit der ganzen Welt zurzeit auf die Ukraine gerichtet ist. Wir sind sehr dankbar, dass die Schweizer Botschaft aus Abidjan unseren Präsidenten der Foundation, Felix Walz, kontaktiert und Unterstützung angeboten hat, damit das HMNL-Projekt weitergeführt werden kann.

Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Ich möchte unser Projekt in Liberia weiter vorantreiben. Uns haben einige Leute vor Projektstart gesagt, dass es ein sehr umfangreiches Projekt ist und uns gefragt, ob wir das stemmen können. Wir haben aber bereits in der kurzen Zeit viel erreicht. Das macht mich sehr glücklich und motiviert mich. Gleichzeitig werde ich mich um ein Stipendium für ein Masterstudium in Gesundheitswissenschaften bemühen, vorzugsweise in der Schweiz. Da die Ausbildung in Liberia nicht auf einem hohen Niveau ist, hoffe ich, dass ich mein Studium in einem europäischen Land mit guten Universitäten weiterführen kann.

Liebe Bernice, vielen Dank für das Interview!

Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde auf Englisch geführt und für die Verschriftlichung von Janine Keller übersetzt.

Bernice Maima Kromah in Basel, wo sie sich im Bereich des Gesundheitsmanagements weiterbildet.