Über die Zukunft: Von Realitäten und Versäumnissen

Tuesday, December 1, 2020

Eine Fischkreatur, die in einem Glaskasten eingesperrt zu sein scheint, eine Stadt bei Nacht, ebenso auf dieselbe begrenzte Dimension eines Kubus reduziert: Taiyo Onorato und Nico Krebs (*1979, leben und arbeiten in Zürich und in der Slowakei) entwickelten über die letzten Jahre eine eigene fotografische Sprache, die unsere Sehgewohnheiten herausfordert. Wie sah es dort, wo sie sich aufhielten und fotografierten, wirklich aus? Was wurde inszeniert oder später hinzugefügt?

Klassische fotografische Gestaltungsmittel wie Licht, Perspektive und vor allem ein Auge für Momente, die auch unbemerkt vorüberziehen könnten, sind ebenso Teil der Entstehung eines Werkes, wie das Collagieren oder neu Belichten. Das Bild eines Störs – eines Knochenfisches – sowie die Stadtansicht von Guangzhou, eine Stadt in der süd-chinesischen Provinz Guangdong, wurden mittels analoger Montage mit einer Ausstellungsansicht des Museums Rietberg kombiniert. Dabei wurden die grossformatigen Negative auseinandergeschnitten und neu kombiniert.

Die aktuellen Arbeiten, die unter dem Titel Future Perfect entstehen, markieren den Anfang einer Serie, die die beiden Künstler über die nächsten Jahre verfolgen werden. Sie zeugen vom Versuch, eine Bildersprache zu finden, um aufzuzeigen, wie sich die Welt in die Zukunft bewegt. Die Künstler greifen dabei Themen wie Klimawandel und das Artensterben auf – oder das Gefühl grosser Bedrohung sowie die ausdauernde Fähigkeit von uns Menschen, diesen Gefahren den harten Fakten zum Trotz mit Optimismus und nicht selten einem gewissen Stoizismus zu begegnen. Die Realität von sich zu weisen, erklären Onorato/Krebs, scheint (leider) ein bewährtes Mittel zu sein, um sich nicht in eine Situation des Unbehagens zu begeben. Über die komplexe Vielfalt ihres Bildkosmos entwickeln die beiden Künstler ein Rhizom-artiges System, welches einen – entgegen aller Umstände – immer wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt.

Taiyo Onorato und Nico Krebs entwickelten über den Zeitraum von drei Jahren (2005-2009) die Arbeit The Great Unreal. Mit diesem Fotobuch schrieben die beiden ein Stück Fotografie-Geschichte und sind seither international in Ausstellungen präsent. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und befindet sich in verschiedenen privaten sowie musealen Sammlungen weltweit. Vertreten werden sie von der Galerie Sies + Höke in Düsseldorf.

Rot. Nadine Wietlisbach
Direktorin und Kuratorin Fotomuseum Winterthur