Von den Machtstrukturen der Strassenzüge

Tuesday, September 1, 2020

Wie verändern sich öffentliche Räume über politische Prozesse? Der im neoklassizistischen Baustil gestaltete Triumphbogen kann symbolhaft für die Entwicklungen der ganzen Stadt Skopje gelesen werden. Zwischen 2008 und 2018 sind in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje Neubauten für rund 680 Millionen Euro realisiert worden. Auf den ersten Blick wurde so eine neue Identität geschaffen, ein Stadtzentrum, das sich nach aussen gewandt aufstellt. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass zeitgleich eine in den 1960er- bis in die 1980er-Jahre spezifisch herausgebildete architektonische Sprache vernachlässigt oder zerstört wurde. Unter der Leitung der UNO wurden nach dem Erdbeben 1963 Wiederaufbaubestrebungen ermöglicht, die heute jedoch, zumindest in der Innenstadt, nur noch teilweise erkennbar sind. Es wurde überbaut, verdeckt, abgerissen, um dafür visuelle Zeichen populistischer und nationalistischer Machtstrukturen über das architektonische Stadtbild zu stärken. Die Farbkleckse auf dem Triumphbogen verweisen auf die, ursprünglich von Studierenden losgetretenen, Proteste im Jahr 2016: Während der «Colorful Revolution» gegen die Regierung des damaligen Präsidenten Gjorge Ivanov, bewarfen die Protestierenden die neu errichteten Gebäude mit Farbbeuteln und lehnten sich gegen das rückwärtsgewandte System auf.

Dieses sowie zahlreiche weitere beeindruckende Bilder finden sich in der Publikation «Skopje Walkie Talkie», dem Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Susanne Hefti und dem Architekten und Architekturhistoriker Damjan Kokalevski. Susanne Hefti (*1984) ist Künstlerin und zurzeit Doktorandin am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der ETH Zürich. In ihrer forschungsbasierten Arbeit untersucht Susanne Hefti räumliche Zusammenhänge, die im Kontext von Politik, Architektur und Stadtplanung stehen. Über einen erweiterten Begriff der Dokumentarfotografie, der auch Video, Schriften und Archivalien einbezieht, verschmelzt sie in ihrer Arbeit künstlerische und wissenschaftliche Forschung. Susanne Hefti studierte Kunst und Fotografie an der Folkwang Universität der Künste in Essen und an der Zürcher Hochschule der Künste. Zuvor absolvierte sie eine Banklehre sowie ein Journalismus- und Kommunikationsstudium in Winterthur. Hefti stellt international aus und erhielt für ihre Arbeit bereits zahlreiche Preise (u.a. das Grenzgänger-Stipendium, den Preis für Fotografie der Internationalen Bodenseekonferenz sowie den Wüstenrot-Preis für Dokumentarfotografie).

Rot. Nadine Wietlisbach
Direktorin und Kuratorin Fotomuseum Winterthur