Grüne Tischnachbarinnen und ihr Arbeitsumfeld

Friday, January 29, 2021

Rot. Nadine Wietlisbach, Direktorin Fotomuseum Winterthur

Die Pflanze im Büro: Wir alle kennen sie, manchmal trägt sie saftige gesunde Blätter, manchmal eher verdorrte feine Zweige in trockenerer Erde. Diese teilweise unscheinbaren Alltagsgegenstände aus der Natur erzählen viel über die Grundbedürfnisse von uns Menschen. Wir verpflanzen die Flora in eine ansonsten anorganische und nicht selten hochstandardisierte Umgebung und eröffnen über diese grünen Tischnachbarinnen ein Projektionsfeld, das von Sehnsüchten berichtet.

Büropflanzen sind visuelle Rückzugsorte und haben ein eigenes Dasein. Die Künstlerin Saskia Groneberg erzählt, dass Pflanzen im Gegensatz zu den oft auch an Arbeitsplätzen vorzufindendenen Urlaubspostkarten, Familienfotos oder anderen Versuchen, die unpersönliche Büroarchitektur persönlicher zu gestalten, dazu neigen, sich zu verändern und zu wachsen. Manchmal fast unmerklich, manchmal unter liebevoller Pflege der Besitzenden erreichen sie die Decke, winden sich um Heizungen oder an Fenstern in die Höhe.

Groneberg entwickelt ein umfangreiches Kunstbuch, das eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Pflanzentypologien aus Büros beinhaltet, unter anderem indem sie ein Herbarium erstellt, das an bekannte, illustrierte Pflanzenkundebücher erinnert.

Diese Vorgehensweise verweist zudem auf die Frühzeit der Fotografie, die später in der Arbeit der wissenschaftlichen Klassifizierung eine bedeutende Rolle spielte. 

Die fotografischen Reproduktionen von Gronebergs Büropflanzen sind sehr aufwendig, es handelt sich um Scans – die dafür notwendigen technische Geräte sind aus keinem Büro mehr wegzudenken. Die von Mitarbeitenden verfassten Kurztexte bieten weitere Anknüpfungspunkte zu den Pflanzenbesitzenden und ihren Befindlichkeiten.

Saskia Groneberg (*1986) lebt und arbeitet in Berlin und München. Ihre Arbeiten wurden in Institutionen wie dem Victoria and Albert Museum London, den Deichtorhallen Hamburg, dem LUMA Westbau Zürich, dem Museo de Arte Moderno Mexico City, dem Museum für konkrete Kunst Ingolstadt und weiteren ausgestellt. 2017 gehörte sie zu den Fotografierenden auf der Shortlist des Prix Pictet, zusammen mit Kunstschaffenden wie Thomas Ruff, Richard Mosse, Beate Gütschow und Rinko Kawauchi.