Im Interview erzählt uns Karin Vilsmeier von ihrem langjährigen Engagement beim Jugendaustausch

Sonntag, 6. Februar 2022

von Janine Keller

Der Jugendaustausch ist eines der wichtigsten Programme von Rotary und hat auch in der Schweiz einen besonderen rotarischen Stellenwert, werden doch in der Regel jährlich 80 - 100 Schüler ins Ausland geschickt und ebenso viele hier in der Schweiz aufgenommen. Der Verein Rotary Jugendaustausch Schweiz / Liechtenstein organisiert diese Austausche über eine professionell geführte Geschäftsstelle in Lenzburg. Aber wie wir wissen, hat der Jugendaustausch in den letzten zwei Jahren besonders unter den Konsequenzen der Pandemie gelitten.

Rotary International hat den Jugendaustausch bis zum 30. Juni 2022 sistiert. Die Geschäftsselle bereitet sich dieses Jahr wieder auf die Aufnahme des Austauschprogramms vor in der Hoffnung, dass es endlich wieder weiter gehen kann mit diesem grossartigen Rotary-Programm.

In der Zwischenzeit haben wir uns mit Karin Vilsmeier vom Rotary Club St.Gallen-Rosenberg über ihr langjähriges Engagement beim Jugendaustausch unterhalten haben. Nachfolgend erzählt sie, wie sie zum Jugendaustausch kam und weshalb er ihr besonders am Herzen liegt.

Karin Vilsmeier vom RC St.Gallen-Rosenberg engagiert sich seit über 20 Jahren beim Jugendaustausch.

Stellen Sie sich doch kurz vor – in welchem Club sind Sie Mitglied und welche rotarischen Funktionen haben Sie inne?

Ich bin Gründungsmitglied des RC St.Gallen-Rosenberg. Da der Club im Jahr 2000 gegründet wurde, bin ich also schon seit über 20 Jahren Mitglied bei Rotary. Fast genauso lange, nämlich seit dem Jahr 2001, übe ich die Funktion des Youth Exchange Officer in unserem Club aus. Als Youth Exchange Officer kümmere ich mich einerseits um die administrativen und organisatorischen Belange des Jugendaustausches sowohl für Outbounds (Schweizer Jugendliche, die ins Ausland gehen) als auch für Inbounds (Austauschschüler, die in die Schweiz kommen) und andererseits gemeinsam mit dem Councelor um das persönliche Wohlergehen unserer ausländischen Austauschschüler während ihres Aufenthaltes in der Schweiz.

Auf Anregung des ehemaligen Chairman des Rotary Jugendaustausches Schweiz, Rot. Paul Strasser, bin ich vor gut 10 Jahren ausserdem in die Jugenddienstkommission des Distrikts 2000 gewählt worden.

Sie engagieren sich also sehr für den Jugendaustausch, erzählen Sie uns etwas mehr über Ihre Arbeit.

In all meinen Jahren beim Jugendaustausch habe ich bisher insgesamt 22 Inbounds und 18 Outbounds betreut. Betreuen heisst, die Austauschschüler, deren Eltern sowie die Gastfamilien in allen Fragen und Anliegen zu unterstützen und zu beraten. Man muss sich das so vorstellen, dass mit jedem Jugendlichen eine Art «Blackbox» hierher in die Schweiz kommt. Die Jugendlichen haben zwar in der Vorbereitung auf den Austausch einige Dinge über die Schweiz gelernt, sowie etwas Deutsch, es ist dennoch oft ein ziemlicher Kulturschock, wenn sie hier ankommen. Nun stehen Sie vor allem im D 2000 als erstes vor der Herausforderung neben Hochdeutsch auch noch ‘Schwyzerdütsch’ zu lernen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, um in die Schule zu kommen und erfahren oftmals schmerzhaft, dass Züge und Busse in der Schweiz pünktlich abfahren. Schlussendlich müssen sie lernen mit der neu gewonnen Freiheit, mit der Jugendliche hier in der Schweiz aufwachsen, und die sie vielfach in ihren Herkunftsländern nicht haben, umzugehen.

Deswegen ist es besonders wichtig, dass sich die erste von den insgesamt drei vorgesehenen Gastfamilien mit grossem Engagement und Feingefühl um die Jugendlichen kümmern kann. Die erste Gastfamilie muss also von uns besonders gut informiert und vorbereitet werden. Eine meiner Aufgaben ist es also, alle Parteien möglichst gut auf den Austausch vorzubereiten und ihnen während des Aufenthaltes beiseite zustehen.

Die Inbounds werden bei ihrer Ankunft in der Schweiz am Flughafen herzlich empfangen.

Man merkt, dass Ihnen der Jugendaustausch besonders am Herzen liegt – weshalb gerade dieses Programm?

Als 18-jährige nahm ich selbst einmal an einer achtwöchigen Austauschkulturreise von Rotary in Amerika teil. Als Gruppe bestehend aus Jugendlichen und Rotariern reisten wir in Amerika von Club zu Club. Das war ein wahnsinnig eindrückliches Erlebnis für mich! Besonders die Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden, sowie die Einblicke in das Leben und die Kultur eines anderen Landes haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

An diesem Programm fasziniert mich ausserdem der kulturelle Austausch zwischen den Jugendlichen und dass man erfährt, was Jugendliche in anderen Ländern beschäftigt. Umgekehrt kann der Austausch für die Jugendlichen, die in die Schweiz kommen, einen wichtigen Impuls für deren Zukunft liefern. Wenn sie einen Einblick in die Schweiz, dem Paradebeispiel einer Demokratie, erhalten, können sie dieses Wissen zurück in ihre Länder mitnehmen.

Wir hatten in der Vergangenheit auch einige Austauschschüler, die nach dem Austausch wieder zurück nach Europa kamen, um hier zu studieren. Im Januar 2020 beispielsweise kam eine Kolumbianerin in die Schweiz und hat trotz Home Schooling unglaublich gut Deutsch gelernt. Sie war sehr offen und neugierig. In der Schweiz absolvierte sie Sprachkurse bis zum Niveau B2. Zurück in Kolumbien erarbeitete sie sich dann zusätzlich am Goethe-Institut das Niveau C1. Nach Absolvierung des Studienkollegs in München wird sie ab Herbst 2022 an der Technischen Universität München Molekulare Biotechnologie studieren.

Das Bild zeigt den Israeli, den Türken und den Tschechen bei der besagten Unterhaltung im Kloster Königsfelden.

Der Jugendaustausch erfüllt meines Erachtens eine weitere wichtige Aufgabe von Rotary, nämlich das Verständnis für andere Kulturen und Länder zu fördern. Ein wunderschönes Beispiel dafür sind drei Jugendliche, die am letzten Summer-Camp des D 2000 das ich im Jahr 2019 mitorganisiert habe, teilgenommen haben. Wir besuchten mit den Jugendlichen einen Vortrag über die wunderschönen Glasfenster des Klosters Königsfelden. Dabei entstand ein Foto, auf dem ein Israeli (praktizierender Jude), ein Türke (eher weltlicher Moslem) und ein Tscheche (gläubiger Christ) zusammensassen und sich angeregt über ihr jeweiliges Verhältnis zu Religion unterhielten. Während der ganzen Reise entstand ein anhaltender, sehr intensiver Austausch über die verschiedenen Weltanschauungen. Gelebte Toleranz und Verständnis für andere Kulturen.

Was wünschen Sie sich für den Jugendaustausch in den kommenden Jahren?

Nach der langen, pandemiebedingten Pause hoffe ich sehr, dass der internationale Rotary-Jugendaustausch ab August 2022 wieder uneingeschränkt durchgeführt werden kann.

Ausserdem müssen wir Interessierten vermitteln, dass dieses Programm für alle Personen (im entsprechenden Alter) offensteht. Viele denken, dass sich nur Kinder von Rotarierinnen und Rotariern anmelden können. Das ist aber nicht so!

Bis anhin haben hauptsächlich Schüler der gymnasialen Stufe von dem Programm Gebrauch gemacht. Wir möchten nun vermehrt für das Programm nach Abschluss der Oberstufe als sogenanntes Zwischenjahr beliebt machen. Eine grossartige Möglichkeit, diese bereichernde Auslandserfahrung vor dem Einstieg ins Berufsleben zu machen.

Und zu guter Letzt sollten wir gerade für die internationalen Summer-Camps, von denen ich vorhin gesprochen habe, vermehrt Werbung machen. An diesen Camps können Jugendliche bis zum Alter von 25 Jahren teilnehmen und es ist einfach eine tolle Art, seine Schulferien oder seinen Urlaub zu verbringen.